18. September 2019

Änderung des Ver­si­che­rungs­ver­trags­ge­se­tz (VVG): In mehreren Punkten zu überarbeiten

Das Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG) regelt das Vertragsverhältnis zwischen den Versicherungen und ihren Kundinnen und Kunden. Es ist über hundert Jahre alt. Einige punktuelle vordringliche Änderungen wurden bereits mit einer Teilrevision im Jahr 2006 vorgenommen. Am 28. Juni 2017 hat der Bundesrat die Botschaft für eine Teilrevision des VVG verabschiedet. Diese nimmt die Anliegen des Parlaments gemäss Rückweisung der Totalrevision des VVG aus dem Jahr 2013 auf. Sie sieht zudem weitere Änderungen vor, wie zum Beispiel eine verbesserte Gliederung des Gesetzes, eine Erweiterung der vorvertraglichen Informationspflicht oder ein beschränktes direktes Forderungsrecht in der Haftpflichtversicherung. Seit dem ersten Quartal 2018 befindet sich das teilrevidierte VVG in der parlamentarischen Beratung.

Verbesserungsvorschläge der Vereinigung Kantonaler Gebäudeversicherung VKG:

Keine Einführung eines Regressprivilegs für Mieter und Pächter
(Art. 95c Abs. 3 Bst. c)

Das Regressprivileg basiert seit jeher auf dem Gedanken, dass die Versicherung nicht auf Personen Rückgriff nehmen soll, gegen die der Versicherte selber keine Schadenersatzansprüche stellen würde. In diesem Sinn wird das Regressprivileg in Art. 95c Abs. 3 zutreffend auf Personen eingeschränkt, die "in einer engen Beziehung zum Versicherten" stehen. Hierzu gehören nach herrschendem Verständnis – wie im bisherigen Art. 72 Abs. 3 VVG und auch in Art. 75 ATSG festgehalten – Personen, die mit dem Versicherten in häuslicher Gemeinschaft leben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen.

Mit Sinn und Zweck des Regressprivilegs nicht zu vereinbaren ist es, wenn in Bestimmung c als Anwendungsfall zusätzlich Personen angeführt werden, die "ermächtigt sind, die versicherten Sachen zu nutzen":

Dem Wortlaut nach werden hier auch Mieter und Pächter erfasst und damit Personen, die offenkundig gerade nicht in einer engen Beziehung zum Versicherten stehen und zudem regelmässig Prämien bezahlen für die Deckung von Mieter- bzw. Pächterschäden.
Eine solche Ausweitung des Kreises privilegierter Personen steht nicht nur im klaren Widerspruch zur expliziten gesetzlichen Zwecksetzung, sie entspricht– entgegen der Darstellung in der Botschaft – auch nicht dem allgemeinen Rechtsverständnis zu diesem Regressprivileg.

Tatsächlich lehnten bislang sämtliche oberen kantonalen Instanzen wie auch das Bundesgericht eine Ausdehnung von Art. 72 Abs. 3 VVG auf die Mieterschaft ab. Dies weil nicht ersichtlich ist, weshalb der Vermieter bei einer schuldhaften Schadenzufügung durch seinen Mieter darauf verzichten sollte, diesem gegenüber Schadenersatzansprüche durchzusetzen, wie es in Bezug auf die vom Wortlaut des Art. 72 Abs. 3 VVG erfassten Personen angenommen werden könne. Im Interesse der vom Haftpflichtrecht beabsichtigten Verhaltenssteuerung muss die Privilegierung restriktiv gefasst werden. Sie darf nicht über die enge persönliche Beziehung hinaus auf Haftungsgruppen ausgeweitet werden, die von der ratio legis nicht erfasst sind.

Verhinderung von Regressausschluss-Klauseln
(Art. 59a VVG)

Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der Haftpflichtversicherungen enthalten sogenannte Regressausschluss-Klauseln. So sind in der Betriebshaftpflichtversicherung die Arbeitnehmer zwar (gegen entsprechende Prämienzahlung) mitversichert. Gedeckt wird jedoch nur der Direktanspruch des Geschädigten, nicht aber der Rückgriffsanspruch Dritter. Dies gilt insbesondere für Sozial- oder Sachversicherungen, obwohl die haftpflichtigen Versicherten vielfach ausschliesslich oder ganz überwiegend gerade solchen Regressforderungen ausgesetzt sind. Der Versicherungsschutz fehlt damit dort, wo er besonders benötigt wird. Die Versicherten bleiben – für sie kaum erkennbar – mit erheblichen finanziellen Risiken belastet.

Mit Regressausschluss-Klauseln wird das Wesen der Haftpflichtversicherung ausgehöhlt (vgl. Erläuternder Bericht vom 21.01.2009 zur Totalrevision VVG S. 79). Es handelt sich um ungewöhnliche, geschäftsfremde und im Ergebnis stossende Vertragsklauseln, die dem Erwartungshorizont der Versicherten in grober Weise zuwiderlaufen und im VVG deshalb zwingend unterbunden werden sollten.

Zulassung des direkten Forderungsrecht
(Art. 60 Abs. 1bis VVG)

In der Praxis wird die Haftpflicht der versicherten Person meist im Wege von Direktverhandlungen zwischen Haftpflichtversicherer und geschädigtem Dritten geregelt.

Die Rechtslage wird erheblich vereinfacht, die Versicherten von der Prozesslast befreit und die Position der Geschädigten gestärkt, wenn diese ihren Anspruch nötigenfalls auch gerichtlich unmittelbar gegen die Haftpflichtversicherung durchsetzen können. Ein direktes Forderungsrecht, wie es noch im Vorentwurf (Art. 60a Abs. 1 VE-VVG) vorgesehen war, bringt für die Geschädigten wie für die Versicherten einen klaren Mehrwert, namentlich auch in Fällen, in denen der Haftpflichtversicherer nicht Hand für eine einvernehmliche Lösung bieten will.

Der Gesetzesentwurf (Art. 60 Abs. 1bis) schränkt demgegenüber das direkte Forderungsrecht ganz erheblich ein. Es soll bloss noch in besonderen Ausnahmefällen greifen (Fehlen eines haftbaren Versicherten oder Zahlungsunfähigkeit des Versicherten), was sach- und zweckwidrig ist und zur Folge hat, dass das direkte Forderungsrecht gleich wie das bestehende gesetzliche Pfandrecht am Versicherungsanspruch praktisch wirkungslos ist.

Weiterführendes Grundlagenpapier